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Digitalisierung

Von welcher Infrastruktur ist eigentlich die Rede, wenn die Schule – oder besser: der Unterricht – digitalisiert werden soll? Bei genauerer Betrachtung stellt man nämlich fest, dass bei aller Hard- und Software auch noch die Komponente Mensch – oder besser: die Lehrperson – zu berücksichtigen ist. Digitalisierung, die alleine Technik, Bits und Bytes fokussiert, wird scheitern, da mag die Technik noch so gut sein. Unterricht wird immer noch von Menschen gemacht – und das wird auch so bleiben!

Digitalisierung ist in Aller Munde. Die Auswirkungen der Digitalisierung sind zu einem festen Bestandteil unseres Alltags geworden: Telefon mit Wählscheibe? Wer kennt denn sowas noch? Datenübermittlung per Brief? Längst passé oder eher eine romantische Alternative. Anfertigen von Notizen mit Papier und Stift? Wie geht das denn?
Wir alle nutzen die Vorteile der Digitalisierung und schauen längst nicht mehr in Strassenkarten, sondern lassen uns von Navigationssystemen durch den Strassendschungel schleusen. Und derweil wir die digitalen Dienste unterschiedlichster Anbieter nutzen, wundern wir uns, dass wir ständig Hinweise bekommen auf Restaurants, an denen wir mal vorbeigefahren sind, oder Gartengeräte, nach denen wir mal gegoogelt haben. Und langsam beschleicht uns das Gefühl, dass wir im Zeitalter der Digitalisierung immer durchsichtiger, vorhersagbarer und kontrollierbarer werden. Schulen müssen sich diesem Thema zuwenden!
Digitalisierung – Was ist das?
Was genau bedeutet eigentlich Digitalisierung? Ganz einfach: Bei der Digitalisierung wird ein analoges Signal in ein digitales umgewandelt, wobei ein Signal nichts anderes ist als eine Information, die zwischen einem Sender und einem Empfänger ausgetauscht wird. Ein analoger Klassiker ist zum Beispiel eine Uhr mit Zeigern, auf der quasi stufenlos alle allmählichen Veränderungszustände im Fluss der Zeit dargestellt werden können. Diese Stufenlosigkeit, diese Vielzahl der Übergänge machen analoge Informationen zu sehr komplexen Informationspaketen. Wird die Uhrzeit digital dargestellt, ist der Informationsgehalt auf Stunden, Minuten, Sekunden und eventuell kleinere Einheiten davon reduziert und zwar jeweils in ganz genau definiert Abständen. Digitale Signale sind somit eindeutig und einfach. Zwischenschritte entfallen in der digitalen Welt. Man beschränkt sich auf das Wesentliche. Analoge, also komplexe Informationen, werden durch die Digitalisierung reduziert, bis nur noch leicht handhabbare Binärabfolgen von Einsen und Nullen übrigbleiben und in diese Abfolgen pressen wir unsere Welt, unser Leben und unseren Alltag – ganz einfach. Und dabei werden diese in Binärcode umgewandelten und reduzierten Informationen in einer unglaublichen Menge gesammelt und gespeichert, immer und überall, dass wieder eine Form von Komplexität entsteht, die erschreckend anmutet.

Was hat Schule mit Digitalisierung zu tun?
Wenn sich also die Art unseres Informationsaustausches derart wandelt und unseren Alltag als neue Kommunikationskultur erfasst, dann hat selbstverständlich auch Schule den Auftrag, ihre Schülerinnen und Schüler mit dieser neuen (Kultur-)Technik vertraut zu machen, sie in deren Handhabung im Alltag zu schulen und sie auf deren Chancen und Risiken vorzubereiten.

Digitalisierung und Schule – 2 Handlungsvarianten
Diesem Auftrag kann Schule in grundsätzlich zwei Varianten nachkommen.
Variante 1:
Gelder bereitstellen um Hard- und Software einzukaufen, zu installieren und zu hoffen, dass alles gut wird. Eine solche Vorgehensweise entspricht der technischen Definition von Digitalisierung und hat mit Pädagogik nichts, aber auch gar nichts zu tun. Komplexität wird vereinfacht, analoge Zwischentöne werden ausgeblendet. Schule und alle, die an Schule beteiligt sind, werden in eine standardisierte Binärabfolge von Einsen und Nullen gepresst und normiert. Ganz einfach und ganz schnell fertig!

Wenn Schule ihren Bildungsauftrag aber als Individualisierung versteht, als Prozess der Persönlichkeitsentwicklung, bei dem die individuellen Möglichkeiten der Schülerinnen und Schüler Ausgangspunkt und Wegleitung ihrer Entwicklung sind, dann muss auch Digitalisierung personalisierend thematisiert werden. Mit Investitionen im Giesskannenprinzip ist es dann nicht getan. Wenn es auch nicht unbedingt eines umfangreichen Konzeptes bedarf, so braucht es doch ein definiertes, schulweites Übereinkommen, wie Digitalisierung individualisierend im Unterricht thematisiert und umgesetzt werden soll. Austausch darüber im Team, individuelle Weiterbildung für Lehrpersonen und Teamentwicklung des Kollegiums scheinen mir hier notwendige Grundpfeiler für eine gelingende Digitalisierung im Unterricht zu sein. Die Lehrpersonen ins Boot holen, individuelle Distanzen zum Thema und zur digitalen Technik reduzieren, Möglichkeiten eines digital-differenzierenden Unterrichts aufzeigen und erworbene Erkenntnisse im Kollegium vertiefen und erweitern. Und erst dann: Gelder bereitstellen um passgenaue Hard- und Software einzukaufen, zu installieren und somit zu wissen, dass eine grosse Wahrscheinlichkeit besteht, dass alles gut wird. Ein solches Vorgehen entspräche der Variante 2 und ist keinesfalls ganz einfach noch ganz schnell fertig.

Digitalisierung und Differenzierung
Derweil die Variante 1 auch mit «Digitalisierung der Schule» bezeichnet werden könnte, versteht sich die Variante 2 als «Digitalisierung in der Schule», bei der das Grundprinzip der Individualisierung auf alle, die am Bildungsprozess beteiligt sind, angewendet wird. Analoge Vielfalt und Nuancen, die wir problemlos auch als Heterogenität bezeichnen können, werden nicht auf definierte Standards und Normen vereinfacht und reduziert. Schulen, die Digitalisierung nicht nur technisch umsetzen, sondern pädagogisch leben und alle Beteiligten in den Prozess einbinden, um Digitalisierung zum Unterrichtsgegenstand zu machen, werden ihre Lehrpersonen nicht über- oder unterfordern und die Entwicklung ihrer Schülerinnen und Schüler auch im Themenbereich Digitalisierung individuell erfolgreich unterstützen.

 

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